Häufig missverstandener Begriff
Was kompostierbare Verpackungen wirklich auszeichnet

19.01.2023 Die Kompostierbarkeit von Verpackungsmaterialien ist in Europa klar normiert. Just deshalb herrschen speziell bei einigen Verbrauchern jedoch Missverständnisse – häufig aus Unwissenheit.

Viele Verpackungsmaterialien sind unter industriellen Bedingungen kompostierbar. Der Unterschied zur heimischen Kompostierbarkeit kommt jedoch teils nicht deutlich genug hervor, wodurch einige Verbraucher sich schlecht informiert fühlen.
© Foto: stock.adobe.com © Kzenon
Viele Verpackungsmaterialien sind unter industriellen Bedingungen kompostierbar. Der Unterschied zur heimischen Kompostierbarkeit kommt jedoch teils nicht deutlich genug hervor, wodurch einige Verbraucher sich schlecht informiert fühlen.

In der heutigen Zeit ist das Verpackungsaufkommen enorm. Gleichzeitig erwarten jedoch sowohl die Gesetzgeber als auch die Kunden und die Hersteller eine dennoch möglichst geringe, idealerweise nichtvorhandene Negativwirkung auf Umwelt, Natur und Klima.

Insbesondere das Thema Kompostierbarkeit spielt hierbei eine bedeutende Rolle. Ist doch hier keine vollumfängliche Recyclingkette vonnöten, sondern eine buchstäblich sinnvolle Umwandlung in ein anderes, aber dennoch wertvolles, geradezu „biologisches“ Endprodukt das Ziel.

Zwar definiert die DIN EN 13432 ganz klar, was unter Kompostierbarkeit zu verstehen ist. Das jedoch entspricht teilweise nicht dem, was Verbraucher – also Laien – darunter erwarten. Dabei sind die Unterschiede in der Praxis marginal und benötigen prinzipiell nur bessere Kommunikation.

Kompostierbarkeit im Überblick

Was bedeutet eigentlich Kompostierbarkeit? Grundsätzlich bezeichnet es die Fähigkeit eines Materials oder Stoffs, im Rahmen natürlicher (oder Natur-ähnlicher) Prozesse zu verrotten und dadurch weitgehend und über einen mehrstufigen Prozess zu Humus und anderen Mineralstoffen zu werden – also einem zentralen Bestandteil der obersten Bodenschicht.

Das heißt also, das Material zersetzt sich unter der Einwirkung von

  • Luftsauerstoff,
  • Wasser,
  • Mikroorganismen sowie ferner
  • Bodenlebewesen.

Bei diesem Prozess erfolgt ein Abbau von Kohlenwasserstoffverbindungen. Im Fall von holzhaltigen Verpackungen beispielsweise Lignine. Die Bestandteile des Ausgangsmaterials werden im Rahmen des Kompostierungsprozesses aufgebrochen. Dabei wird Kohlendioxid freigesetzt, ferner verschiedene Mineralstoffe und Verbindungen.

In der Natur läuft dieser Prozess automatisch ab. Er ist ein unverzichtbarer Bestandteil des natürlichen Kreislaufs, sorgt nicht nur für die Entstehung von Humus (im Sinne eines Substrats), sondern führt neuen Pflanzen und anderen Lebewesen wieder Nährstoffe zu, die diese für das Wachstum benötigen.

Aus diesem Grund ist Kompost (egal ob natürlichen oder künstlichen Ursprungs) ein hervorragender Dünger und Grundstoff; sowohl für die Industrie als auch Privatpersonen.

Die DIN EN 13432 als normierte Definition einer Kompostierbarkeit

Die wichtigste Nutzung von Kompost, respektive Humus und den enthaltenen Nährstoffen, findet sich in einer Rückführung in einen biologischen Wirtschaftskreislauf. Das heißt, unter anderem wird der entstehende Boden an Hobbygärtner veräußert. Er ist ein bedeutender Teil bei der privaten und unternehmerischen Herstellung pflanzlicher Nahrung und somit unmittelbar in einen Nährstoffkreislauf eingebunden.

Nicht zuletzt, um hierbei jegliche Risiken durch die Einbringung unerwünschter Stoffe oder beim Kompostieren entstehender Abbauprodukte auszuschließen, existiert die DIN EN 13432. Sie definiert den Rahmen dessen, was Verpackungsmaterialen erfüllen müssen, um offiziell als kompostierbar zu gelten. In Deutschland ist dafür DIN CERTCO zuständig – die DIN-eigene Zertifizierungsorganisation.

Um eine Zertifizierung als kompostierbar zu erhalten, müssen Verpackungsmaßnahmen fünf Kriterien erfüllen – die im Zertifizierungsprozess überprüft werden:

  1. Einhalten von Grenzwerten: Alle verwendeten Inhaltsstoffe werden im Labor überprüft. Wichtig ist hierbei vor allem das Einhalten von Grenzen bezüglich Schwermetalle. Wie beim gesamten Zertifizierungsprozess, so muss auch hier jeder einzelne Verpackungsbestandteil die Prüfung bestehen. Nicht zuletzt deshalb bekommen nachhaltige Farben und Pigmente eine beständig größere Bedeutung. Das ist unter anderem deshalb für die Druckbranche herausfordernd, weil diese Farben noch verschiedene andere (= klassische) Kriterien erfüllen müssen, etwa Leuchtkraft.
  2. Biologische Abbaubarkeit: Sämtliche Bestandteile der Verpackung müssen durch natürlich vorkommende Mikroorganismen zersetzt werden können. Dies betrifft primär die chemisch-molekulare Struktur aller bei der Verpackung eingesetzten Materialien. Allerdings wird in diesem Schritt nur die generelle Abbaubarkeit betrachtet, nicht jedoch die dafür nötigen Zeiträume.
  3. Generelle Kompostierbarkeit: Die Verpackung muss unter definierten Kompostierungsbedingungen binnen zwölf Wochen so weit kompostieren, dass bei einem anschließenden Siebprozess mit Zwei-Millimeter-Sieben nicht mehr als zehn Prozent der Originalmasse verbleiben.
  4. Prozessuale Auswirkungen: Nach Abschluss der Kompostierung erfolgt eine Prüfung darauf, wie sich die Kompostierung dieses Verpackungsmaterials auf einen größeren Kompostierungsprozess auswirkt. Anders formuliert: Wird diese Verpackung in einen Kompostierungsanlage gegeben, darf sie die darin ablaufenden Prozesse nicht negativ beeinträchtigen.
  5. Wertigkeit und Toxizität: In einem zweigliedrigen Abschlusstest wird der Kompost zunächst auf agronomische Wertigkeit hin überprüft. Es wird dabei ermittelt, in welcher Weise er sich auf das Wachstum von Pflanzen auswirkt. Im zweiten Teil erfolgt anschließend noch eine Biotoxizitätsprüfung, um jegliches Restrisiko auszuschließen.

Zwar ein strenges und komplexes Verfahren, das allerdings alljährlich verschiedene Unternehmen und deren Produkte erfolgreich durchlaufen. Doch wo liegt die Gefahr für Missverständnisse seitens der Verbraucher?

Kompostierbarkeit ¹ Kompostierbarkeit

Für viele Laien bedeutet Kompostierbarkeit die Möglichkeit, ein Produkt auf den heimischen Kompost zu werfen, auf dass es dort in kurzer Zeit verrotten und zu Humus werde. Ganz prinzipiell garantiert eine Zertifizierung diese Fähigkeit auch.

Leider mangelt es jedoch vielen Laien am Wissen, um ein wichtiges Detail zu kennen: Was nach der DIN EN 13432 zertifiziert wurde, muss seine Kompostierbarkeit unter den Rahmenbedingungen industrieller Kompostierungsanlagen nachweisen. Das heißt bei äußerst kontrollierten Umgebungsbedingungen, wozu unter anderem ein überwachtes Temperaturniveau von 60°C gehört.  Eine solche Temperatur lässt sich jedoch in typischen heimischen Kompostierungsanlagen nicht erreichen.

Die Folge: Als „kompostierbar“ beworbene Verpackungen werden aus Unwissen auf dem heimischen Kompost entsorgt. Aus ökologischer Sicht mag dies zwar kein Risiko bedeuten, wird sogar über einen gewissen Zeitraum zur Kompostierung führen. Allerdings birgt es durchaus die Gefahr, den Verbraucher zu enttäuschen. Denn naturgemäß wird eine solche Verpackung unter den häuslichen Bedingungen deutlich länger brauchen als jene drei Monate, die für die Zertifizierung vorgegeben sind.

Zwar gibt es im Rahmen der erwähnten Norm die Option, Materialien gemäß NF T 51-800 zusätzlich als „gartenkompostierbar“ zertifizieren zu lassen. In diesem Fall muss der Prozess binnen eines Jahres bei 30°C ablaufen. Der Unterschied zwischen beiden Varianten ist jedoch vielen Verbrauchern nicht klar.

Bessere Kommunikation vonnöten?

Gleich mehrere Artikel auf verschiedenen Websites erklären den Unterschied zwischen „Biologisch abbaubar“, „kompostierbar“ und „gartenkompostierbar“. Mit Blick auf eine größere Akzeptanz wäre es jedoch wahrscheinlich zielführender, diese Unterschiede industrie- und herstellerseitig offensiver zu kommunizieren.

Dazu gehört es unter anderem, nicht durch die Verwendung des Attributs „kompostierbar“ den Eindruck zu erwecken, als könne das jeweilige Produkt einfach auf dem Gartenkompost entsorgt werden.

Vielfach würde es bereits genügen, dem „kompostierbar“ ein „industriell“ oder einen ähnlichen, näher definierenden Begriff voranzustellen. Das würde zwar zweifelsohne die Werbewirksamkeit ein wenig reduzieren, dürfte jedoch durch die bessere Information des Verbrauchers der mittel- bis langfristig bessere Weg sein.

stats