Exklusivinterview bei Jagenberg Paper Systems
Zurück zu den Wurzeln: Retrofit für Papierverarbeitungsmaschinen
Der Name Jagenberg ist in der Papierindustrie sehr gut etabliert und steht für Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit bei Rollenschneidmaschinen und Querschneidern. Der Name Kleinewefers steht für Kalander. Doch nicht immer sind Neumaschinen gefragt.
Das Krefelder Unternehmen Jagenberg Paper Systems (JPS) hat sich auf den Umbau und die Modernisierung bestehender Anlagen spezialisiert. Besondere Bedeutung erlangt dabei der Know-how Transfer eines umfangreichen fachspezifischen Wissens von gestandenen Mitarbeitern auf motivierte Nachwuchskräfte im Unternehmen. Im Gespräch erläutern Guido Lebbing, Geschäftsführer JPS, und Franz-Josef Otto, Vertriebsleiter JPS, wie diese und andere anspruchsvolle Herausforderungen im Unternehmen umgesetzt werden.
Die Interviewfragen im Überblick
01. Ziel der Jagenberg Paper Systems
02. Wichtigkeit qualifizierter Mitarbeiter
03. Schlüssel zum Erfolg
04. Zukunft des Geschäftfeldes
05. Beitrag zur Verfügbarkeit von Anlagentechnik
06. Relevanz von Service und Beratung
07. Know-how Transfer
Guido Lebbing: Wir verfügen über ein traditionelles Geschäft im Bereich der Papierindustrie. Der Name Jagenberg steht seit Jahrzehnten für Qualität und Zuverlässigkeit in der Papier verarbeitenden Industrie. Es gibt weltweit einen sehr großen Maschinenpark an Jagenberg Maschinen, der modernisiert werden muss. Unser Ziel ist es den Namen Jagenberg wieder operativ aufleben zu lassen. Deshalb wurde 2012 die Jagenberg Paper Systems gegründet.
Die ursprüngliche Idee war dabei elektrotechnische Modernisierungen durchzuführen. Darunter verstehen wir die Modernisierung von Antrieben, Steuerungen und Bedienungen sowie die Erneuerung von Pneumatik und Hydraulik, Messerpositionierungen und Schneidsystemen. Das Unternehmen sollte zunächst als Vertriebskanal für Lebbing engineering & consulting fungieren. Als jedoch der Voith Standort in Krefeld 2015 geschlossen wurde, war es möglich sehr kompetente Mitarbeiter in das Unternehmen zu holen. Deshalb beschlossen wir das Angebot von elektrotechnischen Retrofits um technologische und mechanische Retrofits ganzheitlich zu erweitern.
Franz-Josef Otto: Die Mannschaft, über die wir verfügen, hat über 400 Jahre Erfahrung in der Papierindustrie. Das ist das, was zählt. Seit 2012 haben wir ganz kontinuierlich wieder eine leistungsfähige Mannschaft zusammengestellt. Das ging auch nur, weil man die Stärken der Mitarbeiter kannte. Unsere Mitarbeiter waren teilweise in die gesamte Entwicklung – von Jagenberg Original über Voith und wieder zurück zu Jagenberg Paper Systems – involviert. Heute sind wir ein Stamm von ca. 25 Mitarbeitern und verfügen über ein bedeutsames Knowhow von ca. 30 Mann-Jahren bei Superkalandern. Das ist für uns ein wichtiger Wettbewerbsvorteil bei Umbauten oder Modernisierungen dieser Anlagen.

Konzernstruktur der Kleinewefers Beteiligungs-GmbH – Jagenberg AG.
F.-J. Otto: Es ist erforderlich, die Verfahrenstechnik einer Maschine zu kennen, verfahrenstechnischer Sachverstand ist gefragt. Wir konnten drei Technologen für uns gewinnen, die diesem Anspruch gerecht werden. Wichtig für uns ist es auch die Bedürfnisse der Branche zu verstehen. Unsere Philosophie ist es, kundenspezifische Lösungen gemeinsam mit unserem Kunden zu entwickeln. Unsere Technologen führen in der Regel über 2 bis 3 Tage ein Maschinenaudit vor Ort durch. Hierbei werden u.a. Gespräche mit dem Bedienpersonal geführt, um die Prozesse zu optimieren. Nach Abschluss des Audits erhält der Auftraggeber einen detaillierten Bericht mit den Erkenntnissen und Vorschlägen zur weiteren Vorgehensweise. Das ist eine wichtige Grundvoraussetzung um gute Umbaukonzepte anbieten zu können.
Es geht oftmals darum bei unseren Kunden mit geringsten Mitteln den höchsten Benefit zu erreichen. Kompetenz, Ehrlichkeit, gute Ideen, unkomplizierte und schnelle Bearbeitungszeiten – das sind wichtige Kriterien um einen Auftrag erfolgreich auszuführen. Die Lösungen müssen mit Sachverstand, ohne Träumereien erarbeitet werden. Wir müssen erkennen, welche Zwänge auf Kundenseite vorliegen um praktikable Lösungen zu entwickeln. Um unser umfangreiches Portfolio im Bereich des Retrofiting erweitern zu können, haben wir Möglichkeiten von Kooperationen oder das Nutzen unserer Netzwerke.

Bauteile eines VariTop in der Demontage.
F.-J. Otto: Momentan ist die Anfragetätigkeit sehr gut. Wir haben den Eindruck, dass eine gewisse Mutlosigkeit, die man noch vor zwei bis drei Jahren in der Branche spürte, vorbei ist. Unsere Kunden erleben wir voller Tatendrang. Die Unternehmen versuchen ihren Weg zu gehen. Im Bereich der grafischen Papiere ist eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Spezialpapiere, Verpackungspapiere und Karton sowie Tissue gehören zu den Wachstumssegmenten, in denen wir mit unserem Produktportfolio verstärkt tätig sind. Erste Kontakte zum Tissue Sektor waren erfolgsversprechend, so dass es zum ersten Auftrag kam. Jagenberg hat bis Ende der 90er Jahre Tissue Winder gebaut. Danach zog sich die Firma Jagenberg aufgrund von einer geänderten Wettbewerbssituation aus diesem Geschäftsfeld zurück. Deshalb war es für uns ein erfreulicher Wiedereintritt in diesen Markt.

Mitarbeiter von JPS in der Projektierung.
F.-J. Otto: Es ist wichtig Hinweise zu geben um die Verfügbarkeit bzw. Qualität der Anlagen aufrechtzuerhalten. In einem schrumpfenden grafischen Papiermarkt sind qualitative Probleme, beispielsweise durch einen Rollenschneider, der nicht die erforderliche Wickelqualität erzeugt, das Zünglein an der Waage um einen Auftrag zu verlieren.
Viele Unternehmen sind mit Umbauten beschäftigt um die Leistungsfähigkeit ihrer Papiermaschinen zu erhöhen. In der Folge sind auch die Anlagen zur Weiterverarbeitung entsprechend anzupassen. Es ist nicht zwingend erforderlich, gleich einen neuen Rollenschneider mit einem beträchtlichen Investitionsvolumen aufzustellen, wo oftmals noch nicht einmal der erforderliche Platz für die Aufstellung der Anlage vorhanden ist. Mit einem Retrofit der Anlage können erhebliche finanzielle Mittel im Vergleich zu einem Neubau eingespart werden.

Kernkompetenzen von Jagenberg Paper Systems.
WfP: 06. Service und Beratung sind für Sie wichtige Geschäftsfelder?
F.-J. Otto: Sehr erstaunt sind wir über die Entwicklung des Ersatzteilgeschäftes. Viele ältere Maschinen verfügen nicht mehr über die ursprünglichen Konstruktionspläne oder wurden in der Vergangenheit mehrfach umgebaut. In diesem Fall ist es ein großer Vorteil, wenn wir genau diese Mitarbeiter, die vor 20 Jahren die Maschinenteile bei Jagenberg designt haben, noch im Haus haben. Auf dieser Basis ist es möglich ein Standardbauteil zu erstellen und sich anschließend auf die aktuellen Kundenanforderungen einzustellen.
Beratung ist für uns auch ein wichtiges Geschäftsfeld geworden. Möchte ein Kunde beispielsweise eine neue Maschine kaufen, sind wir als Ratgeber gefragt. Da wir noch nicht im Neumaschinenmarkt tätig sind, sind wir auch kein Wettbewerber. Hier bringen wir unsere Erfahrungen ein, beispielsweise bei Angebotsvergleichen oder Ausschreibungen für Umbauprojekte.

Schwingungsmessung am Doppeltragwalzenroller.
F.-J. Otto: In Krefeld sitzt eine hoch motivierte Mannschaft, die über sehr viel Know-how verfügt. Die Mitarbeiter haben sehr viel Erfahrung und Talent kreative Lösungen anzubieten. Jetzt ist es wichtig an dieses erfahrene und qualifizierte Fachpersonal junge und leistungsbereite Mitarbeiter heranzuführen, damit der Know-how Transfer gewährleistet ist. Nur so können wir sicherstellen, dass der weltweit vorhandene Maschinenpark an Jagenberg und Kleinwefers Anlagen auch zukünftig von unseren Kunden weiter wirtschaftlich und sicher betrieben werden kann. Im Bereich Superkalander haben wir einen großen Bestand an älteren Mitarbeitern. Vor einiger Zeit haben wir vier Quereinsteiger direkt von der Universität eingestellt. Das ist eine sehr interessante Mischung, doch nur so können wir gewährleisten, dass kein Knowhow verloren geht.

Pulper zur Wiederverwendung im laufenden Projekt.
WfP: Vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Das Interview führte für Sie Dr. Kerstin Graf.
Das komplette Interview mit weiteren Fragen, Fakten zu Guido Lebbing, Franz-Josef Otto und der Geschichte von Jagenberg Paper Systems finden Sie in der Ausgabe 2/2017 des Wochenblatts für Papierfabrikation.
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